Köbi Auerhahn

Gestatten, ich heisse Köbi Auerhahn. Ich bin gut fünf Jahre alt und gehöre zum Clan der Raufusshühner. Wir sind die grössten! Wenn ich meine Flügel ausbreite, schaffe ich beachtliche 90 Zentimeter. Aber leider werden unsere Clans immer kleiner und nur noch wenige von uns sind übrig.

Ich habe jetzt im April und Mai gerade sehr viel zu tun: Hennen, so viele Hennen! Und ich will sie alle! Das ist harte Arbeit, sage ich Ihnen. Denn die Hennen kommen ja nicht von alleine zu mir! Und die anderen Clan-Chefs wollen sie auch. Deshalb zaubere ich mit meinen Schwanzfedern ein wunderschönes Rad, plustere mich auf, zeige meine roten Rosen über den Augen und werfe mich in Pose! Und natürlich tanze ich und singe den Hennen auch ein unwiderstehliches Liedchen vor. Ja ja, Sie sehen, ich bin ein Gentleman und Multitasker.

Und nicht nur das: Ich bin auch ein waschechter St. Galler! Sie wissen schon - mit Stammbaum und allem. Steuern bezahle ich aber keine. Denn als Bewohner abgelegener Bergwaldgebiete bin ich steuerbefreit wie damals die Walser. Dafür ist das Leben hier oben nicht gerade einfach. Um meinen Body in Schuss zu halten, muss ich jeden Tag viele Weiden- und Himbeerblätter fressen. Und natürlich meine Leibspeise, Heidelbeeren. Doch im Moment begnüge ich mich notgedrungen noch mit Tannennadeln, bis das Grünzeug wächst. Mühsam, denn ich wiege rund fünf Kilogramm und brauche ziemlich Futter! Kleine Steinchen in meinem Magen helfen mir, dieses schwerverdauliche Zeug zu zerkleinern.

Sodeli, ich muss wieder! Sie wissen schon.... die Arbeit ruft! Denken Sie an mich und schützen Sie meinen Lebensraum. Und bitte stören Sie mich nicht, weil ich doch meine Hennen bezirzen muss  ;-)
(Mirjam Maag, Mai 2022)

Nachtrag Mai 2023:
Köbi ist nicht mehr. Sein etwas unbequemes Balzverhalten, bei dem er durchaus auch Leute und Autos als potenzielle Eindringlinge in sein Revier attakiert hat, hat ihm das Leben gekostet. Dem Vernehmen nach wurde er von einem Landwirt, dem er im Frühjahr während der Balz jeweils den Weg zur Alp hoch blockiert hat, absichtlich überfahren.
Köbi wird weiterleben - in unseren Erinnerungen und auf den vielen beeindruckenden Fotos der Wildtier-Fotografen.